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Der heutige Staat Tansania entstand 1964 aus dem Zusammenschluss von Tanganjika und Sansibar. Davor war Tanganjika seit 1919 bis zur Unabhängigkeit 1961 britisches Mandatsgebiet des Völkerbundes bzw. der UNO – faktisch eine britische Kolonie. Von 1885 bis 1918 war das Gebiet Teil der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika, die auch die heutigen Staaten Burundi und Ruanda mit einschloss.

Begonnen hatte die koloniale Geschichte der Europäer in dieser Region mit den Portugiesen, die die ostafrikanische Küste seit Anfang des 16. Jh. als Zwischenstation nach Indien und für den orientalischen Sklavenhandel nach und mit arabischen Ländern nutzten. Sie wurden im 17. Jh. vom omanischen Sultan verdrängt, der 1840 seinen Amtssitz nach Sansibar verlegte. (vgl. Speitkamp 2009, S.93-94; 104-106;120). Kurz darauf entsandte die protestantische Church Missionary Society (CMS) die deutschen Missionare Johannes Rebmann und Johann Ludwig Krapf in die Gegend von Mombasa. Bei Reisen ins Landesinnere waren sie die ersten Europäer, die den Kilimandscharo und den Mount Kenia sahen. Diese „Entdeckung“ beförderte die nachfolgende Erforschung des Gebiets um die Großen Seen (Viktoriasee, Tanganjikasee, Kiwusee, Njassasee und Albertsee).

Jedoch lohnt ein Perspektivwechsel auf die (vor)koloniale Geschichte ostafrikanischer Gesellschaften anhand einiger Beispiele. Die vorkolonialen Gesellschaften Ostafrikas waren, wie auch in Neuguinea, großteils mündliche Kulturen, deren Geschichte(n) traditionell mündlich von einer Generation zur nächsten überliefert wurden. Darüber hinaus gab und gibt es in (Ost)afrika wie in Neuguinea hunderte verschiedener Sprachen, die ein Erfassen geschichtlicher Prozesse erschweren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich bei Tansania/Afrika oder Neuguinea/Ozeanien um geschichtslose Kulturen handelt. Diese falsche Annahme war im kolonialen 19. – 20. Jh. jedoch weit verbreitet (vgl. Speitkamp 2009, S. 9; 17; 27; 75; 87). Vielmehr gab es Beispiele sozial ausdifferenzierter und technisch versierter Gesellschaften wie die Kultur der Swahili, die sich ab dem 8. Jh. an der ostafrikanischen Küste entwickelte. Ihre Sprache wurde mit arabischen Schriftzeichen verschriftet und entwickelte sich zur Verkehrssprache Ostafrikas (vgl. Speitkamp 2009 S. 90-91). Das seit dem 16. Jh. existierende Buganda, nordwestlich des Viktoriasees gelegen, kontrollierte den Handel zwischen Binnenland und der Ostküste und entwickelte eine Feudalherrschaft wie sie auch in Mitteleuropa zu dieser Zeit üblich war (vgl. Speitkamp 2009 S. 57-58; 70-73; Bley 2021, S. 151). Bedingt durch die starke Abhängigkeit von Wasser und Wetter waren die Menschen entweder flexibel und wanderten mit ihren Herden auf der Suche nach Wasserstellen oder sie entwickelten ausgeklügelte Bewässerungssysteme um Jams, Sorghum oder Bananen anzubauen (Speitkamp 2009 S. 62-63). Fipa waren im 18. Jh. auf Eisenschmelze und Produktion von Eisenwaren spezialisiert. Nyamwesi agierten als Handelsspezialisten und Organisatoren von Großkarawanen zwischen Ostküste und dem Victoriasee. Shambaa waren in der regenreichen Bergregion der Usambaraberge als Pflanzer und Händler tätig. Die Reihe ließe sich fortsetzen und zeigt, dass Ostafrika mit Beginn der deutschen Kolonisation und Mission weder menschenleer oder „herren“-los, noch geschichtslos war (Bley 2021, S. 127-130).
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