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Mord am Mount Meru

Das Kilimanjarogebiet, genauer der Berg Meru, ist Schauplatz eines Ereignisses, das auf einer Schnitzerei in der Kapelle von Mission EineWelt dargestellt wird. Die Schnitzerei des Künstlers Ndilivako Ndelwa, eine Auftragsarbeit aus den 1990er Jahren, thematisiert die Verwicklung zwischen Kolonialismus und Mission. Die Tafel IV, die sich direkt neben der Eingangstür der Kapelle befindet, stellt den Lauf des Evangeliums von Europa nach Tansania durch europäische Missionsgesellschaften und von Tansania wieder nach Europa durch afrikanische Missionsmitarbeiter*innen dar:

Wie sind die Missionare, wie die Afrikaner dargestellt?

Die Missionare sind durch die Tropenhelme erkennbar, die Afrikaner ohne Helm und mit krausen Haaren. Interessant ist, dass der Missionar, der bei seiner Tötung den Helm verliert, darunter ebenfalls die gleichen krausen Haare hat, wie die Afrikaner. Dargestellt sind 2 Boote. Im oben dargestellten Boot, sitzen die die Leipziger und rheinischen Missionare, die mit dem (Segel-) Schiff über das große Meer nach Nordtansania kamen. Im unteren Boot sitzen die Berliner Missionare, die mit dem Kanu von Südafrika über den Tanganyikasee nach Südtansania kamen. Auffällig ist, dass der Missionar im Team mit paddelt.


Welche Begebenheit wird erzählt und wie wird sie dargestellt?

Die beiden aus dem Baltikum stammenden Leipziger Missionare Ewald Ovir und Karl Segebrock sollten im Auftrag der Leipziger Mission im Merugebiet Missionsarbeit beginnen. Mitte Oktober 1896 wurden sie von Matunda, dem „Chief“ der Meru, freundlich willkommen geheißen und erhalten die Erlaubnis, eine Missionsstation zu bauen (rechts). Pfeil und Bogen (Mitte) bezieht sich auf die Ermordung der Missionare Ewald Ovir (Biographie) und Karl Segebrock (Biographie) am 20.10.1896 zusammen mit fünf lokalen Hilfskräften am Berg Meru in Tansania, vermeintlich, um den Ketten (links vom Bogenschützen) der Weißen zu entgehen. Die Missionare hatten zu ihrem Unglück Gewehre dabei. Diese hatten sie aus der Missionsstation in Machame in der Nähe von Moshi zur Selbstverteidigung mitgebracht. Der in Moshi stationierte Hauptmann Kurt Johannes und Leutnant Moritz Merker, die bereits erfolglos mehrere Strafexpeditionen gegen die Maa unternommen hatten kamen mit mehreren Askari auf einer regulären Reisen nach Umbugwe über Arusha im Meru-Land an und schlugen ihre Zelte in der Nähe der Missionare Ovir und Segebrock auf. Diese waren ungefähr fünf Tage zuvor mit einer kleinen Gruppe von Trägern vom Kilimandscharo eingetroffen. Die Anwesenheit von Hauptmann Johannes und seiner Gruppe Askaris ließ den Verdacht aufkommen, dass die Missionar Spione von Hauptmann Johannes seien. Sie trugen Waffen; so machte es keinen Unterschied, ob sie Soldaten oder Männer Gottes waren, die das Licht des Evangeliums bringen. In der Gewissheit, dass alle Weißen Feinde waren, wurden beide Lager angegriffen. Der Kolonialhauptmann Kurt Johannes überlebte den Angriff, weil er von seinen Askari (rechts vom Missionar) mit Gewehren verteidigt wurde. Die anschließende Strafexpedition der deutschen Kolonialmacht kostete 600 Warusha das Leben (links). (vgl. Parsalaw in Kirche weltweit 3/2021, S.4-7)


Was wird sonst noch dargestellt?

Das Flugzeug (oben rechts) versinnbildlicht die tansanischen Missionar*innen, die jetzt auf dem Weg nach Deutschland sind, um dort das Evangelium zu verkünden. Die Gebäude zeigen Schulen (oben), kirchliche Gebäude (unten neben dem Boot) und Gesundheitseinrichtungen (Ecke unten rechts), die zur Zeit der Missionare eingerichtet wurden.


Elisabeth Müller, die Frau des Missionars Emil Müller (Biographie), der 1893 von der Leipziger Mission nach Machame geschickt wurde und dort die erste Missionsstation der Leipziger aufbaute, schildert in einem Bericht von 1949:
„Zu Tausenden waren die Eingeborenen gekommen, da sie aber dem Lager des Hauptmannes nichts anhaben konnten, da er mit seinen Soldaten ja Gewehre hatte, überfielen sie die zwei in ihren Zelten ruhig schlafenden Missionare und ermordeten sie.“ (zitiert nach Kirche weltweit 3/2021 S.10)
Ermordet wurden also 1896 zunächst zwei Missionare; die Tat wurde dann jedoch durch eine Strafaktion der deutschen Polizeitruppe unter Hauptmann Johannes gerächt, die sicher mehr als 2 Todesopfer, insbesondere auch indirekte Opfer durch Niederbrennen von Feldern und Häusern, zur Folge hatte. Ob die „Eingeborenen zu Tausenden“ kamen bleibt dahingestellt. Elisabeth Müller war selbst nicht persönlich dabei und schildert das Ereignis wohl aus Sicht und aus Erzählung der Familie Johannes. An diesem Bericht und auch aus ihrer restlichen Schilderung wird deutlich, dass ohne Zusammenarbeit mit der Kolonialregierung keine Missionsarbeit in Afrika möglich war. Die Leipziger Missionare in Tansania sahen die koloniale Schutztruppe als Schutzschild gegen übergriffige Einheimische. Auch hier zeigt sich wiederum das Problem, dass keine zeitgenössischen Quellen der indigenen Bevölkerung auf uns gekommen sind. Spätere Schilderungen tansanischer Zeitzeugen oder Wissenschaftler bergen das Problem, dass sie die Situation mit großem zeitlichem Abstand rekapitulieren und bewerten.

Schnitzerei

Biographie: Ewald Ovir (1873 - 1896)

Ewald Ovir
Ewald Ovir kam am 18. Februar 1873 in Jaggowall in Estland (damals Kaiserreich Russland) als fünftes von sieben Kindern eines Landwirts und Gutsverwalters zur Welt. Er besuchte von 1883 bis 1890 das Gouvernements-Gymnasium in Reval und wurde dann Hauslehrer. Die Ausbildung erfolgte unter schwierigen finanziellen Verhältnissen und nach dem Tod der Mutter getrennt von der Familie, worunter Ovir auch gesundheitlich sehr litt. Durch einen Arzt bekam er Kontakt zur äußeren Mission. Am 30. November 1891 trat er in das Leipziger Missionsseminar ein. Er bestand am 28. März 1895 die Abgangsprüfung und wurde am 2. Juni 1895 in Leipzig ordiniert. Am 5. Juni 1895 wurde Ovir zusammen mit Missionar Karl Segebrock in die Dschaggamission nach Deutschostafrika abgeordnet. Er landete am 10. August 1895 in Mombasa und kam am 21. September 1895 in Madschame (heute Machame) an, wo er zusammen mit Missionar Emil Müller arbeitete. Er brach am 13. Oktober 1896 mit Missionar Segebrock zum Meru auf, wo sie eine Station in Usangi/Nordpare gründen wollten. Beide wurden in der Nacht zum 20. Oktober 1896 bei einem Raubüberfall durch Einheimische ermordet. In der Folge kam es zu mehrjährigen bewaffneten Auseinandersetzungen in der Region. Einsatzland: Tansania. Quelle: Leipziger Missionswerk

Biographie: Karl Segebrock (1872 - 1896)

Karl Segebrock
Karl Segebrock wurde am 16. Januar 1872 in Mitau in Kurland (Kaiserreich Russland) als zweiter Sohn eines Tischlers geboren. Er besuchte die Volksschule und anschließend die weiterführende Kaiser-Alexander-Schule. Von 1887 bis 1888 war er als Lehrergehilfe an einer Kirchenschule in Mitau tätig. Unter dem Eindruck der Predigt eines Missionars während seiner Schulzeit entschloss er sich dazu, selbst Missionar werden zu wollen. Ostern 1889 trat er in das Leipziger Missionsseminar ein und bestand Ostern 1895 die Abgangsprüfung. Segebrock wurde am 2. Juni 1895 in Leipzig ordiniert und am 5. Juni 1895 zusammen mit Missionar Ovir in die Dschaggamission nach Ostafrika (heute Tansania) abgeordnet. Er landete am 10. August 1895 in Mombasa und erreichte Mamba am 19. September 1895. Dort arbeitete er mit Missionar Gerhard Althaus zusammen. Segebrock siedelte am 11. Februar 1896 zu Missionar Fassmann nach Moschi (Old Moshi / Alt-Moschi, heute Kidia) zur Errichtung dieser Station über. Am 13. Oktober 1896 brach er mit Missionar Ovir zum Meru auf, wo sie eine Station in Usangi/Nordpare gründen wollten. Beide wurden in der Nacht zum 20. Oktober 1896 bei einem Raubüberfall durch Einheimische ermordet. In der Folge kam es zu mehrjährigen bewaffneten Auseinandersetzungen in der Region. Quelle: Leipziger Missionswerk

Biographie: Emil Müller (1868 - 1940)

Emil Müller
Emil Müller wurde am 25. Oktober 1868 in Zschopau im Erzgebirge als Sohn eines Webers geboren. Er war Schreiber und trat Ostern 1887 in das Missionsseminar ein. Am 21. Dezember 1892 bestand er die dortige Abgangsprüfung und bereitete sich dann, unter anderem durch das Erlernen der Bäckerei, noch weiter auf seinen Beruf in Ostafrika vor. Zu Pfingsten, am 24. Mai 1893 wurde er in Leipzig nach Ostafrika abgeordnet. Müller erreichte Madschame (heute Machame) am 5. Oktober 1893 und gehörte zusammen mit Päsler, Althaus, Fassmann und Böhme zu den Begründern der Missionsarbeit in Deutschostafrika. 1910 wurde er stellvertretender Vorsitzender des Missionsrates und blieb auch während des Krieges vor Ort. 1920 wurde er zwangsweise in die Heimat gebracht. Er kam am 23. November 1920 in Leipzig an und übernahm am 21. Juli 1921 vikarisch das Pfarramt Oberschlema. 1922 wurde er zweiter Pfarrer in Penig, dann Pfarrer in Königsfeld 1923 und 1927 Mitglied des Missionskollegiums.Von 1931 bis 1933 ging er noch einmal nach Madschame in Ostafrika zurück. Danach übernahm er wieder sein Pfarramt in Königsfeld und die Arbeit im Missionskollegium. Am 3. Juni 1940 verstarb er in Nadelwitz bei Bautzen. Sein Lebenswerk, das „Wörterbuch der Djagga-Sprache“, wurde 1947 veröffentlicht. Djagga (heute Chagga) ist eine Bantusprache, deren Sprecher südwestlich des Kilimandscharos in der Gegend um Machame angesiedelt sind. Quelle: Leipziger Missionswerk
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